Das türkische Erbrechtssystem
Das türkische Erbrecht basiert, ähnlich wie das deutsche Recht, auf dem Prinzip der Universalsukzession. Das bedeutet, dass mit dem Tod des Erblassers dessen gesamtes Vermögen als Einheit auf die Erben übergeht. Dieser Übergang erfolgt automatisch und kann vom Erblasser nicht verhindert oder ausgeschlossen werden. Mit dem Vermögen gehen nicht nur die Vermögenswerte, sondern auch alle Rechte und Pflichten des Erblassers auf die Erben über. Es steht dem Erben jedoch frei, die Erbschaft nachträglich auszuschlagen, falls er dies wünscht.
Erbrecht von Ausländern in der Türkei
Erben in Deutschland, die vermuten, dass der Erblasser in der Türkei ihnen Vermögen hinterlassen hat, müssen zunächst prüfen, ob dem tatsächlich so ist. Sollte dies zutreffen, stellt sich die Frage, wie sie die Erbschaft bezüglich des türkischen Nachlasses aus Deutschland heraus antreten können. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die türkischen Nachlassgerichte keine Kenntnis von den Erben in Deutschland haben. Diese Information können die Gerichte nur erlangen, wenn die Erben einen entsprechenden Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen.
Verzögern oder unterlassen die in Deutschland ansässigen Erben diesen Antrag, kann es dazu kommen, dass die in der Türkei lebenden Erben den Nachlass ohne Beteiligung der deutschen Erben unter sich aufteilen. Dies erschwert nicht nur die Durchsetzung der Erbansprüche erheblich, sondern kann auch zu rechtlichen und finanziellen Problemen führen, insbesondere wenn die Gegenseite insolvent ist und nachträglich Erbschaftsansprüche geltend gemacht werden.
Dieses Risiko besteht nicht nur für in Deutschland lebende Erben, sondern auch in umgekehrten Fällen. Wenn die in der Türkei lebenden Erben nicht rechtzeitig handeln, um ihre Erbrechte in Deutschland zu sichern, können auch sie ihre Ansprüche gefährden. In beiden Szenarien ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass die Erben ihre Rechte in beiden Ländern zeitnah und korrekt geltend machen, um spätere rechtliche und finanzielle Komplikationen zu vermeiden.
Wer erbt was? Die gesetzliche Erbfolge in der Türkei
I. Gesetzliche Erben: Ehepartner, Kinder und Verwandte
Zur Übersicht:
- Erste Ordnung: Abkömmlinge (Kinder und Kindeskinder, auch adoptierte Kinder)
- Zweite Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, d.h., Vater und Mutter, Geschwister des Erblassers, Neffen und Nichten, Großneffen und Großnichten usw.
- Dritte Ordnung: Großeltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge, d.h., Großvater und Großmutter, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen usw.
- Überlebender Ehegatte: Natürlich ist auch der überlebende Ehepartner ein gesetzlicher Erbe, Der überlebende Ehegatte erbt neben den Kindern zu einem Viertel neben den Eltern zu drei Viertel und neben den Großeltern zur drei Vierteln.
Der Pflichtteil beträgt für einen Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs und für jedes Elternteil ein Viertel. Die testamentarische Verfügung ist im Rahmen des türkischen Erbrechts zulässig. Eine vollständige testamentarische Enterbung ist nicht möglich, so dass Pflichtteilsansprüche immer bestehen. Geht die Erbschaft auf mehrere Erben über, bildet sie eine Erbgemeinschaft, der im Anschluss die Erbteilung folgt. Die Ausstellung eines Erbscheines ist aus publizitätsgründen erforderlich. Der Erbschein begründet keine Erbschaft, sondern setzt sie voraus.
II. Was passiert, wenn kein Testament vorhanden ist?
Fehlt ein Testament, ist ein Erbschein erforderlich, um den Nachlass zu regeln. Dieser kann bei einem Notar oder einem Amtsgericht beantragt werden. Besonders wichtig ist, dass der Erbschein beim Amtsgericht beantragt werden muss, wenn ausländische Staatsangehörige unter den Erben sind. Erforderlicher Erbschein je nach Nationalität und Nachlassart:
- Türkischer Staatsangehöriger mit beweglichem Nachlass in Deutschland: Ein türkischer Erbschein genügt, dieser muss aber von der türkischen Auslandsvertretung beglaubigt oder mit einer Apostille versehen werden.
- Türkischer Staatsangehöriger mit unbeweglichem Nachlass in Deutschland: Ein deutscher Erbschein ist erforderlich. Diesen stellt das Nachlassgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen aus. Erben in der Türkei müssen sich an die deutsche Auslandsvertretung wenden.
- Deutscher Staatsangehöriger mit unbeweglichem Nachlass in der Türkei: Ein türkischer Erbschein muss bei einem türkischen Zivilgericht beantragt werden. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel 1 bis 3 Monate.
Überblick: Nachlassabwicklung und die rechtlichen Verfahren in der Türkei
1. Testamentseröffnung: Der erste Schritt zur Erbregelung
Wie auch in Deutschland, beginnt die Nachlassabwicklung in der Türkei mit der Eröffnung des Testaments. Dieser Schritt ist entscheidend, um die rechtlichen Grundlagen für die Erbschaft zu schaffen. Im Anschluss wird der Erbschein ausgestellt, der den oder die Erben offiziell bestätigt.
2. Erbschein beantragen: Die Legitimation der Erben
Fehlt ein Testament, müssen die Erben einen Erbschein beantragen. Dieser Erbschein ist erforderlich, um die Erben offiziell zu identifizieren und ihnen die rechtliche Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses zu übertragen. Der Antrag auf Ausstellung des Erbscheins kann bei einem Amtsgericht oder Notar gestellt werden, sofern alle Erben die türkische Staatsbürgerschaft besitzen.
3. Erbschaft annehmen oder ausschlagen: Entscheidung innerhalb von drei Monaten
Erben haben in der Türkei die Möglichkeit, die Erbschaft entweder anzunehmen oder abzulehnen. Die Ausschlagung der Erbschaft ist auch ohne Erbschein möglich, kann jedoch in bestimmten Fällen durch das Gericht auch mit der Ausstellung eines Erbscheins verbunden werden. Eine Ausschlagung muss innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Erblassers erfolgen. Wird diese Frist überschritten, sind die Bedingungen für eine spätere Ausschlagung restriktiver.
4. Bezahlung der Erbschaftssteuer und Grundsteuerschulden: Finanzielle Verpflichtungen klären
Nachdem der Erbschein ausgestellt wurde, müssen die Erben die fällige Erbschaftssteuer bezahlen. Zudem ist es notwendig, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt zu erhalten, um den weiteren Verlauf der Nachlassabwicklung zu sichern. Ebenso sind etwaige Grundsteuerschulden für Immobilien, die Teil des Nachlasses sind, zu begleichen. Erst wenn diese Zahlungen erledigt sind, kann eine Umschreibung des Erbes im Grundbuch erfolgen.
5. Erbengemeinschaft und Konfliktlösung: Gemeinsame Entscheidungen treffen
In der Türkei erfolgt die Nachlassverteilung durch die Erbengemeinschaft, wobei alle Erben gemeinsam Entscheidungen treffen müssen. Sollte es zu langwierigen Streitigkeiten kommen und keine Einigung erzielt werden, kann eine Zwangsversteigerung eingeleitet werden. Während eine Zwangsversteigerung zunächst den Verkauf der Immobilie zu einem Preis unter dem Marktwert zur Folge haben könnte, zeigen aktuelle Tendenzen, dass durch verstärkte Nachfrage und Online-Auktionen die geerbten Immobilien zu fairen Preisen verkauft werden.